Ich muss zugeben: Gestern hatte ich einen fürchterlichen Durchhänger. Der frisch gefallene Schnee hat sich mir aufs Gemüt gelegt und mir die Stimmung total versaut - sogar die Lymphdrainage habe ich abgesagt, damit ich mich in meinem Bettchen verkriechen konnte.
Heute scheint die Sonne, der Schnee ist weg und mir geht's besser. Lange geschlafen habe ich nicht, bereits um 6 Uhr stand ich unter der Dusche. Bei der Ärztin war ich (ein Rezept abholen), in der Apotheke (selbiges einlösen) und durch den kleinen Supermarkt bin ich auch gegangen und habe ein paar Kleinigkeiten eingekauft (und natürlich das Küchenpapier vergessen, weswegen ich überhaupt losgegangen war).
Der Himmel ist blau, der Wind weht zur Abwechslung mal aus Ost und wird uns ein paar schöne und sonnige Frühlingstage bescheren, obwohl es in der Nacht mit Temperaturen um den Gefrierpunkt noch recht kühl wird. Und am Sonntag werden die Uhren auf Sommerzeit, also eine Stunde vor, gestellt.
Das frühlingshafte Wetter und damit auch Pollen von Frühblühern lassen mich ab und zu niesen. Die Schmerzen, die vom Niesen verursacht werden, sind sehr unangenehm - sie betreffen den Genitalbereich inklusive des Beckenbodens und natürlich auch noch die lange Narbe am Bauch. Nicht kontrollierbarer Harnverlust ist ein weiteres Handicap; gleiches gilt natürlich auch beim Husten.
Recht glücklich bin ich darüber, dass ich innerhalb des letzten Jahres nur leicht erkältet war, die Symptome nach drei Tagen wieder verschwunden waren und sich kein hartnäckiger Husten einstellte. Ich versuche auch noch immer, den Bauch durch das Festhalten mit beiden Händen vor dem Druckschmerz beim Husten und Niesen zu schützen (was es mir wiederum unmöglich macht, eine Hand vor den Mund zu halten, igitt!).
Es ist zwar kein tolles Thema, besonders angenehm ist es auch nicht darüber zu reden, aber die Harninkontinenz macht mir noch immer recht schwer zu schaffen, darum spreche ich's mal an.
Als mir damals nach immerhin vier Wochen der Dauerkatheter entfernt wurde, war die Harnröhre stark gereizt und entzündet. Alle halbe Stunde hätte ich für zwei oder drei Tröpfchen auf die Toilette gehen können, das Antibiotikum in meiner Infusion half dann weiter. Allerdings half es nur, die starken Schmerzen zu beseitigen, die Harnblase selbst nahm kaum noch Befehle von mir entgegen. Es ist teilweise noch heute so, dass ich manchmal sagen muss: Ich hätte eben mal gemusst. Anscheinend sind bei der Operation doch noch mehr Nerven beschädigt worden als nur die zum linken Oberschenkel, an dessen Vorderseite fehlt die sensorische Empfindlichkeit komplett. Oft geht es mir so, dass ich zwar einen Harndrang verspüre, er sich aber nicht mehr aufhalten lässt, bis ich die Toilette erreiche. Manchmal betrete ich das Badezimmer und es läuft einfach aus mir heraus, noch bevor ich überhaupt daran denken kann, den Toilettendeckel zu öffnen und mich meiner Kleidung zu entledigen. Seit einiger Zeit nehme ich alle 12 Stunden ein Medikament ein, welches helfen soll die Blasenfunktion wieder besser im Griff zu haben. Dieses Medikament ist auch wirklich hilfreich, immerhin passiert mir nun nicht mehr jedesmal ein Unfall. Aber mich dreimal am Tag umzuziehen ist inzwischen völlig normal - ja, ich freue mich sogar, wenn es nur dreimal zu Unfällen kommt. Inkontinenzeinlagen wie zum Beispiel Tena sind auch nicht so toll, wie es die Werbung vorgaukelt, sie leiten die Nässe nur um. Beim Benutzen einer solchen Einlage werde ich nicht mehr vorne nass sonder am Po und an den Rückseiten der Beine. Auch nicht wirklich wünschenswert, und schon gar nicht weniger unangenehm und peinlich.
Übrigens hilft auch Beckenbodengymnastik nicht, denn neben dem Damm wurde mir auch der innere Teil vom sogenannten kleinen Becken entfernt. Ich glaube zwar, Beckenbodengymnastik machen zu können - also irgendetwas kann ich an- und entspannen, gefühlt jedenfalls - aber die Wirkung ist gleich null. Meine Ärztin erklärte mir, dass das dort fehlende Muskelgewebe im Laufe der Zeit mit Bindegewebe verwachsen soll und mir durchaus das Gefühl geben könnte, da wären noch Muskeln.
So eine echte Lymphdrainage ist doch etwas feines. Beide Beine werden ja nun bei mir behandelt, das ist eine Notwendigkeit nach der Operation vor einem Jahr, in der mir unter anderem auch 42 Lymphknoten aus der Leiste entfernt wurden. Ehrlich gesagt wusste ich vorher gar nicht, dass sich so viele Lymphknoten dort befinden - aber was nicht mehr da ist, kann auch seine Arbeit nicht mehr tun und benötigt Unterstützung von aussen.
Lieblingstherapeutin Andrea verpasst mir die "best Lymphdrainage ever", das weiss ich natürlich erst seit der Reha, in der ich zwei unterschiedliche Therapeuten hatte. Der eine, dessen Arbeitslust sich in Grenzen hielt, drückte an meinen Sprunggelenken herum als wollte er ihnen "Guten Tag" sagen, kitzelte mich etwas in den Kniekehlen und liess dann eine nach Schuhcreme oder Dieselöl stinkende Salbe für sich arbeiten; der zweite Therapeut streichelte meine Beine mit den Fingerspitzen und fusselte mir an den mittleren Zehen herum, schlief allerdings bei der Arbeit fast ein - da hatte ich nun die Wahl zwischen Pest und Cholera, denn das Ergebnis war in beiden Fällen nur befriedigend und hielt nicht lange an. Wenn ich in der Reha vormittags eine Lymphdrainage auf dem Plan stehen hatte, waren abends schon wieder Abdrücke des Söckchenbundes zu erkennen.
Heute mittag war ich endlich mal wieder zur Lymphdrainage bei Andrea - und siehe da: Auch jetzt, nach mehr als neun Stunden, sind noch nicht wieder Wassereinlagerungen im Gewebe zu erkennen! So geht es mir gut.
Mit Schmerzen aufgewacht, sämtliche Nähte (und das sind nun mal nicht wenige!) scheinen weh zu tun. Erstaunlicherweise geht das Sitzen besser als in der Wohnung herumzugehen. Auch kein Problem, dann eben erst Zeitung lesen und später aufräumen, wenn dann das Schmerzmittel wirkt.
Die liquiden Mittel werden immer weniger. Das Krankengeld, welches ich seit nunmehr einem Jahr beziehen muss, stellt sich schon mal - gegenüber einem "normalen" Gehalt für Teilzeiter - geringer dar; das Übergangsgeld, das von der Rentenversicherung während der Reha-Massnahme gezahlt wurde, ist wiederum gegenüber dem Krankengeld geringer. Aus welchem Grund das so sein muss, weiss ich leider nicht.
Denn ist ja nicht so, dass man als Kranker weniger Geld verbraucht. Allein die Zuzahlungen für Medikamente und Hilfsmittel, Stomaversorgung und Lymphdrainage, verschlingen monatlich etwa 140 Euronen. Der Eigenanteil für die gerade abgeschlossene Reha-Massnahme wird 420 Euro betragen. Müsste ich wegen irgendetwas noch einmal stationär ins Krankenhaus, wären - wie im letzten Jahr - wieder pro Tag 10 Euro fällig, für längstens 28 Tage. Das ganze gilt solange, bis 2 % des Jahreseinkommens erreicht sind - dann kann man sich, so die Krankenversicherung mitspielt, von der Zuzahlung befreien lassen.
Im letzten Kalenderjahr war es bereits im Juni soweit, mein Eigenanteil war sogar schon überbezahlt. Erst auf mein inständiges Bitten hin - und nach etwa acht recht überflüssigen Telefonaten - erklärte sich mein Versicherer sogar bereit, mir den überzahlten Betrag wieder zurückzuerstatten. Dabei wurde allerdings ein utopisches Jahresgehalt zugrunde gelegt; wenn ich ein solches Einkommen hätte, bräuchte ich mir gar keine Sorgen mehr zu machen. Nun, da der Bescheid über das im letzten Jahr für mich gezahlte Krankengeld und ausserdem auch gestern die elektronische Lohnsteuerbescheinigung angekommen sind, muss ich mich wieder mit der Krankenkasse auseinandersetzen und um erneute Prüfung bitten.
Ausserdem ist natürlich die Einkommenssteuererklärung fällig, sowohl die Rentenversicherung als auch das Versorgungsamt, ganz zu schweigen vom Arbeitgeber, wollen noch Dokumente zugesandt bekommen. Das stresst mich. Natürlich, auf zehn Tage kommt es nicht an - aber ich möchte doch den ganzen bürokratischen Kram so schnell wie möglich erledigen. Sicherlich auch, weil das bedeutet eventuelle Rückzahlungen ein oder zwei Tage eher zu erhalten.
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